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FESTIGKEIT DES PALASTPFEILERS (Code 201) - Sang Ji Sheng

Festigkeit des Palastpfeilersweitere InformationenDer zuvor rege, gesunde und im Leben hartnäckige Sohn eines sehr reichen Mannes erkrankte unerwartet an so schwerem Rheumatismus, dass er keinen einzigen Schritt mehr ohne unerträgliche Schmerzen machen konnte. Sehr lange Zeit suchte man nach einer geeigneten Medizin für den armen Sohn, bei keinem Medikament trat jedoch Linderung ein, und daher wurde das Bett zum einzigen Lebensraum des hilflosen Kranken, das nur von den engen vier Zimmerwänden, der sich fürchterlich schleppenden Zeit und besorgt seufzenden Dienern umgeben war. Erst an einem besonders trüben Tag kam den reichen und umso unglücklicheren Eltern die Neuigkeit zu Ohren, dass in einer genau 500 Meilen entfernten Hütte ein Kräuterheiler lebt, der über diesen Umkreis hinaus berühmt war. Der Reiche zögerte keine Minute und sendete sofort seinen tüchtigsten Diener aus, um den  Kräuterheiler aus dieser entfernten Gegend zu holen.

Mit der Zeit war es fast schon zur Gewohnheit geworden, dass immer mehr tüchtige und ausgelastete Diener jeweils drei Wochen zu einem Kräuterheiler wanderten und zurück – eintausend Meilen schaffte er jeweils bei Tagesanbruch des einundzwanzigsten Tages, und daher blieb er mit seiner durchschnittlichen Geschwindigkeit nicht weit hinter einem unterdurchschnittlichen Büffel mit überdurchschnittlich eifrigem Viehtreiber zurück. Schließlich unternahm der Diener mehr als genug dieser „Heilausflüge“, und in den speziell dafür vorgesehenen Kellern seines Herrn hatten sich mehr als einhundert Taschen mit Kräutern unterschiedlichster Art, jeden Geschmacks, aller Farben, Wirkungen und Provenienz angesammelt. Durch die Quantität wird jedoch keine Krankheit überwunden, und daher zeigte der zur Verdammnis ans weiche Bett gefesselte Sohn nicht das geringste Anzeichen der Besserung – im Gegenteil.

Eines Tages wurde der Diener wieder auf einen langen Weg geschickt. Früher, als man in dieser Jahreszeit erwarten würde, wurde er von einem Schneesturm überfallen, der, nachdem er sich genug „ausgetobt“ hatte, in heftiges Schneien überging, so dass man nicht einmal die eigene erfrorene Nasenspitze sah. Der tapfere Diener gab jedoch nicht auf und ging weiter durch den Schnee dem gewöhnlichen Ziel des beinahe schon Routine gewordenen Wegs entgegen. Wie schnell der Sturm mit seinem Wasserfall der weißen Schneeflocken kam, so schnell war er später auch wieder weg, und ein Stück weiter erinnerte schon nichts mehr daran. Der Fußgänger war jedoch schon zu müde, um seine Wanderung fortzusetzen, und fiel völlig erschöpft auf den harten Boden. Das Schicksal wollte es so, und daher geschah es direkt unter einem außerordentlich hochgewachsenen, schneeweißen Maulbeerbaum mit einigen anders gefärbten Flecken in der Baumkrone. Als der „Kräuterträger“ aus der Ohnmacht erwachte, bemerkte er sofort diese störenden Elemente. Plötzlich kam ihm buchstäblich „eine Erleuchtung von oben“, denn er dachte: „Warum pflücke ich nicht diese parasitischen Pflanzen, bringe sie meinem Herrn, und gebe sie für eine weitere der vielen Sendungen der immer weniger berühmten Heiler aus? Ihr Aussehen unterscheidet sich kaum von den anderen Kräutern und dem durch Rheumatismus gequälten Sohn können sie bestimmt nicht schaden.“ Und daher zögerte der Diener nicht, pflückte den ganzen Tragekorb dieses merkwürdigen Heilmittels aus der Baumkrone und machte sich auf den Weg nach Hause. Diesmal konnte er sich den Luxus leisten und im Schritttempo gehen, da er von den tausend Meilen nur etwa die Hälfte zurücklegen musste.

So ist es nun einmal, der Weg des geringsten Widerstandes wird gerne gegangen. Und so wanderte der Diener nur zu diesem Maulbeerbaum und befreite ihn vom überflüssigen Teil des „grünen Ansatzes“. Anders als vom schrulligen Schicksal gewollt, besserte sich der Zustand des Sohns wesentlich, sobald er begann, die durch die Faulheit des Dieners verschriebene „Kräuterkur“ einzunehmen.
Und als daher der „nichtswürdige“ Diener bald von einer etwas kürzeren Reise zurückkam, fand er seinen Herrn und mit ihm auch sein ganzes Herrschaftsgut erfreut, und den noch vor kurzem immobilen Sohn des Herrn auf seinen Beinen stehend vor. Der glückliche Vater wollte sofort den Ursprung und den Namen dieses Zauberkrauts wissen. Der vor Scham errötende Diener musste daher mit der Wahrheit herausrücken, sein weiteres Schicksal war jedoch eine Beförderung und ein fettes Entgelt. Die Mistel wurde dann „Maulbeerenbaumparasit mit erstaunlichem Heilungsappetit“ genannt.

 


 

Aus Sicht der traditionellen chinesischen Medizin stärkt Sang ji sheng (Ramulus Loranthi) Leber und Nieren, nährt Sehnen und Knochen, scheidet Wärme und Kälte aus, und nährt das Blut. Dieses Kraut ist beispielsweise Bestandteil der Kräutermischung Festigkeit des Palastpfeilers (Code 201) oder Lockerung der angespannten Sehne (Code 112).

Aus Sicht der modernen Medizin hat es harntreibende und antivirale Wirkungen und senkt den Blutdruck.

Nähere Informationen über die traditionelle chinesische Medizin entnehmen Sie den Büchern Auf der Welle der chinesischen Medizin (2002) und Von der Quelle der chinesischen Medizin (2007).

MUDr. Petr Hoffmann