patièka

KÜHLE DES MORGENNEBELS (Code 002) – Jing Jie

Kühle des Morgennebelsweitere InformationenEs lebte einmal ein berühmter chinesischer Arzt, dem das Leben wohl alle Freuden und Sorgen geschenkt hatte außer einem Sohn, der ihm nicht nur bei der Arbeit helfen würde, sondern dem er auch sein gesamtes Können und sein Erbe übergeben könnte. Deshalb entschied er sich, wenigsten einen Lehrling zu nehmen. Der Geselle war jedoch von unruhiger und eingebildeter Natur. Kaum hatte er dem Meister wenige Monate gedient, da stellte er fest, er sei in jeder Hinsicht genügend vorbereitet, um eine eigene ärztliche Praxis zu eröffnen. Der alte und vom Leben oft geprüfte Mann zögerte zuerst, den frisch geschlüpften Jungvogel aus dem Käfig freizulassen. Nicht nur weil er eine billige Hilfskraft verlieren würde, sondern eher wegen seiner Bedenken, wie dessen selbständige Behandlung tatsächlich aussehen würde.

„Bevor du mich vorzeitig verlässt und deine eigene Klinik gründest, solltest du vor allem eines nicht vergessen“, warnte ihn der befugteste Kräuterheiler ernst. „Die Kräuter und ihre Bestandteile haben oft unterschiedliche Wirkungen, und es gibt insbesondere ein solches Kraut, bei dem die Blätter den umgekehrten Effekt haben wie dessen Wurzeln. Während die Blätter die Schweißabführung aus dem Körper übermäßig fördern, verhindert die Wurzel hingegen das Schwitzen. Vergiss es nicht, wenn die Kranken mit ihren Gesundheitsproblemen kommen.“
Die weisen Ratschläge des Meisters gingen dem Schüler jedoch zu dem einen Ohr hinein und zum anderen noch schneller wieder heraus, so dass er schließlich nur den Luftzug und eine mystische Vision seiner künftigen rosigen Zukunft als Heiler im Kopf hatte.

Am Tag, an dem sein größenwahnsinniger Traum wahr wurde und er seine eigene Arztpraxis eröffnete, geschah es, dass der einzige Sohn des örtlichen Richters plötzlich krank wurde, sodass er wie die Sonne in der Gobi Wüste von Fieber brannte, und der ununterbrochen aus dem Körper strömende Schweiß ihn zu ertränken drohte. Der zu Tode erschreckte Vater rief daher den nächsten Arzt zu seinem armen Sohn. Sobald unser alter Alleskönner eintraf, ließ er sofort nach der Untersuchung des fiebernden Jungen Wasser auf den Ofen stellen, warf einen Haufen Blätter aus seiner Kräutertasche hinein und gab dem Jungen diesen übermäßig konzentrierten Extrakt zu trinken. Er erwartete, dass je größer die Menge des Heilgemischs sei, umso schneller würden auch die gewünschten Ergebnisse eintreten, und als Entgelt wartete bereits ein fetter und feister Jak auf dem Hof des chinesischen Kaisers auf ihn. Die Schweißrinnsale auf dem Körper des Armen wurden jedoch entgegen den ursprünglichen Erwartungen buchstäblich zum Strom, die Arme und die Beine wurden hingegen kalt wie Eiswürfel. Und die frostige Kälte breitete sich todbringend durch den ganzen, in Schweiß gebadeten Körper aus.
Der Richter verlor vor Angst und Furcht vor aller Augen fast seinen grau werdenden Kopf, als er sich sein betrübtes Gedächtnis plötzlich erinnerte, dass es eigentlich noch einen anderen Kräuterheiler gab, der einen guten Ruf hatte. Wie konnte er nur diesen alten bewährten Meister vergessen? Er ließ ihn sofort rufen, und dieser kam mit voller Ausstattung schneller als ein chinesischer Jak muhen würde. Als er eintrat, war ihm sofort klar, was passiert war und anstelle der Blätter ließ er den Heilextrakt aus den Wurzeln wirken. Als die Heilung des Sohns schon sichergestellt war, erklärte er dem Richter, dass sein vorgeblich allwissender Lehrling die unterschiedlichen Wirkungen der Bestandteile dieses Krauts verwechselt hatte.

Der Richter ließ den Schüler rufen, der schon bald seinen Meister übertreffen wollte, und sagte: „Höre gut zu, du die Dämme der menschlichen Gesundheit zernagender Biber. Wenn du die anderen behandelst, ohne entsprechende Kenntnisse und eine Ausbildung zu haben, bereitest du dir eine große Patsche.“ Seit dieser Zeit behielt das Krauten Namen Jing Jie – d. h. Bereitung der Patsche.

 


 

Aus der Sicht der traditionellen chinesischen Medizin löst Jing Jie (Herba Schizonepetae Tenuifolia) sowohl den kalten, als auch den heißen Wind von der Oberfläche, lindert Jucken und Rötungen der Haut. Dieses Kraut ist beispielsweise Bestandteil der Kräutermischung Kühle des Morgennebels (Code 002), Zerbrechlichkeit des gerollten Blättchens (Code 003) oder Hauch des Seidenfächers (Code 113).

Aus der Sicht der modernen Medizin beeinflusst es die Thermoregulation günstig, ist schweißtreibend, hat antivirale Wirkung bei Grippe und antijuckende Wirkung bei Ekzemen und Ausschlägen.

Nähere Informationen über die traditionelle chinesische Medizin entnehmen Sie den Büchern Auf der Welle der chinesischen Medizin (2002) a Von der Quelle der chinesischen Medizin (2007).

MUDr. Petr Hoffmann